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Home BusinessBPO Das Finanzwesen im Zeitalter von industrialisierten Business Services

Von Gianni Giacomelli, Senior Vice President, Genpact für “Business Process – managed & outsourced Special Edition” of the Outsourcing Journal. Der schnelllebige Markt von heute verlangt von Unternehmen ein hohes Maß an Agilität bei der Abwicklung von Geschäftsprozessen. In diesem Umfeld stellt das Wachstum in etablierten Märkten für viele Firmen eine Herausforderung dar. Und so suchen sie vermehrt nach Möglichkeiten zur Ertragserwirtschaftung in neuen und aufstrebenden Märkten.

Der schnelllebige Markt von heute verlangt von Unternehmen ein hohes Maß an Agilität bei der Abwicklung von Geschäftsprozessen. In diesem Umfeld stellt das Wachstum in etablierten Märkten für viele Firmen eine Herausforderung dar. Und so suchen sie vermehrt nach Möglichkeiten zur Ertragserwirtschaftung in neuen und aufstrebenden Märkten. Zwei Faktoren sind hier entscheidend: Für den wirtschaftlichen Erfolg müssen Unternehmen auf der einen Seite bedacht vorgehen, um angesichts neuer Regulierungen und sprunghafter Materialpreise Kosten zu senken. Gleichzeitig müssen sie aber auch offensiv agieren, um in den neuen Märkten und Nischen bestehen zu können, ohne dabei die Kontrolle über die Betriebsabläufe zu verlieren.

In diesem Zusammenhang wird die Rolle des operativen Leiters – sei es der COO, der Leiter der Shared Services-Abteilung oder der leitende Angestellte im Finanz- und Rechnungswesen – zunehmend strategischer. Im Wesentlichen müssen diese Führungskräfte innovative Geschäftsmodelle erstellen und mehr Verantwortung übernehmen als bisher. Dazu wird die Fähigkeit vorausgesetzt, Änderungen umzusetzen, die die operative Effizienz und Effektivität der drei folgenden Bereiche erhöhen: Talent-, Technologie- und Prozessmanagement. Durch die Adressierung dieser Bereiche muss ein leitender Angestellter in der Lage sein, eine Veränderung zu bewirken, die industrielle Geschäftsabläufe bei einer Vielzahl von Support-Funktionen unterstützt.

Drei Gründe für die Überarbeitung globaler Abläufe

Ob interne Geschäftsabläufe, Shared Services, Betriebszentren oder globale Business Services – so verschieden die Abläufe hier auch sind, haben sie dennoch ein gemeinsames Merkmal: Das Backoffice reagiert in der Regel gleichermaßen langsam auf Veränderungen, da es für Massenoperationen und nicht für dynamische Prozesse konzipiert ist. Dieser Mangel an Agilität ist oft auch das Ergebnis einer Fokussierung auf Kosteneinsparungen statt auf Effektivität und Flexibilität. In einer neuen, makroökonomischen Umgebung sollten Führungskräfte die Grundsätze ihrer globalen Lieferungsstruktur von Prozessen überdenken und die drei folgenden Faktoren berücksichtigen:

1. Der Faktor Mensch

Während der Fachkräftemangel weltweit ansteigt, gehen in den Industrienationen die geburtenstärksten Jahrgänge allmählich in Rente. Einige Fachkenntnisse werden überflüssig, an anderen mangelt es wiederum und auch das traditionelle Arbeitsumfeld im Büro ist nicht mehr selbstverständlich. Moderne Abteilungen setzen vermehrt auf Zeitarbeitskräfte und Mitarbeiter aus Übersee sowie Homeoffices. Die Personalentwicklung, das Management sowie die Motivation und Führung dieser Mitarbeiter stellt dementsprechend eine Herausforderung für leitende Angestellte dar. Zudem wird es immer schwieriger, die richtigen Mitarbeiter an den entsprechenden Standorten zu finden, die transaktionale, entscheidungsbasierte oder datengesteuerte Aufgaben auf operativer oder Managementebene bewältigen können.

Diese Faktoren hindern Unternehmen schon jetzt daran, bestimmte Support-Prozesse wie die Buchhaltung, Konstruktionsentwürfe oder Analytik kosteneffizient auszuführen. Mit dem Wandel der Arbeitsanforderungen müssen die Personalabteilungen ihr „Business as usual“-Vorgehen über Bord werfen, wenn sie die richtigen Ressourcen zur richtigen Zeit finden wollen.

2. Technologie

Bisher haben Unternehmen einen Großteil ihrer Technologieausgaben in die Implementierung von ERP-Systemen und die Optimierung der Desktop-Arbeitsplätze allein investiert. Aber die Zeiten haben sich geändert. In den letzten zehn Jahren haben sich die Kosten für die Kommunikationsbandbreite alle 30 Monate halbiert. Die Bildschirmauflösung hat sich seitdem alle anderthalb Jahre verdoppelt, was die Nutzung größerer Bildschirme und Tablets sowohl im Unternehmen als auch zu Hause ermöglicht hat. Demzufolge bieten neue Cloud-basierte Technologien besonders für kleinere Unternehmen erschwingliche Alternativen zu ERP und Prozessen, die von ERP nicht gut abgedeckt werden, wie beispielsweise Inkassoprozesse.

Unternehmen haben zudem vermehrt die Vorteile von „sozialen Technologien“ erkannt. Ein Mitarbeiter verbringt durchschnittlich etwa 28 Stunden pro Woche mit der Suche nach Informationen, dem Verfassen von E-Mails und interner Zusammenarbeit. Das Consultingunternehmen McKinsey & Company schätzt, dass die Nutzung von Social Media-Technologien im Bereich Kollaboration und Informationsverteilung die Produktivität in Unternehmen um 20 bis 25 Prozent steigern kann.

3. Prozesse                                                   

Während Technologien effektive Abläufe ermöglichen, können sie alleine keine Innovationen bei Geschäftsmodellen bewirken. Unternehmen profitieren am meisten davon, wenn sie diese Technologien in großem Umfang in standardisierten Unternehmensprozessen einsetzen.

Um End-to-End-Effizienz und -Effektivität voranzutreiben, nutzen über 90 Prozent aller Bereiche im Finanz- und Rechnungswesen ein zumindest teilweise geteiltes Liefermodell. Betriebsabläufe zu entmaterialisieren – also Personalressourcen Standort unabhängig zu verteilen – hat vielen Unternehmen dabei geholfen, Skaleneffekte, Prozessoptimierung und Kostenarbitrage aus industrialisierten Betriebsabläufen zu generieren. Durch zunehmendes Volumen können die Kosten pro Einheit reduziert werden: Eine Erhöhung um den Faktor zehn senkt die Kosten beispielsweise um bis zu 50 Prozent. Die Ausweitung auf diese Größe kann erst durch die Standardisierung von Prozessen erreicht werden und sorgt dann für eine höhere Produktivität. Die Nicht-Standardisierung hingegen zeigt oft den Unterschied zwischen großen Unternehmen auf, die von einer Expansion profitiert haben, und denen, die keinen Nutzen daraus ziehen konnten.

Zum Teil bedingt durch Trends in Technologie und Personalentwicklung, aber auch durch ein größeres wissenschaftliches Verständnis operativer Prozesse, sind sogenannte Global Business Services (GBS) auf dem Vormarsch. Da sie die Lieferung von Geschäftsprozessen entmaterialisieren können, erlauben sie eine Industrialisierung von Geschäftsabläufen über viele Support-Funktionen hinweg. Dadurch wird nicht nur die Effizienz, sondern auch die Effektivität gesteigert.

Ein Beispiel ist der Zeitbedarf zur Erstellung von Berichten in der Finanzabteilung, bei dem der Best-in-Class von dem niedrigsten Quartil sehr stark abweicht. GBS fördern dabei die Standardisierung von Policies und produktiveren Betriebsabläufen, welche Schlüsselmetriken nutzen, um schnellere Durchlaufzeiten und bessere Geschäftsergebnisse zu erzielen.

Wohin sich das operative Geschäft entwickelt

Viele Unternehmen verfügen bereits über eine Form von Shared Services oder Betriebszentren. Wir glauben, dass der Trend zur Implementierung zumindest eines Teils von GBS sowie industrialisierter Abläufe – in Verbindung mit Corporate und den entsprechenden Geschäftsbereichen – weiter fortschreitet. Expandieren Unternehmen und entwickeln bestehende Abläufe weiter, werden sie ihr Potenzial nicht nutzen können, wenn sie weiterhin veraltete Technologien oder HR-Methoden nutzen.

Wie wir beobachten konnten, sind viele Kommunikationsgrenzen mittlerweile überwindbar. Das bedeutet, dass zukünftige Änderungen hinsichtlich der Arbeitsverteilung mehr von Skaleneffekten, verfügbaren Fähigkeiten, Kostenarbitrage und Prozessoptimierung getrieben werden, und das im gesamten Unternehmen. Und auch wenn ERP und die damit verbundenen Workflows weitestgehend die Abläufe geregelt haben, sind es neue Technologien, die einen Wandel ermöglichen und die notwendige Agilität und Geschwindigkeit erzeugen, um Chancen zu nutzen und Aufgaben zu übernehmen, die nicht in streng definierte ERP-Workflows passen.

Die Förderung der Zusammenarbeit steht auch zukünftig im Fokus sämtlicher Arbeitsabläufe. Menschen bevorzugen es, persönlich miteinander zu kommunizieren. Die Prozesse müssen also den visuellen Kontakt und das Teilen von Informationen unterstützen, so dass alle Parteien ein Dokument gleichzeitig einsehen und bearbeiten können. Es soll ein Umfeld entstehen, in dem die Mitarbeiter das Gefühl haben, sie säßen bei der Arbeit nebeneinander. Auch Antworten auf die folgenden Fragen sind elementar: Was ist für einen bestimmten Mitarbeiter derzeit relevant? Was macht das Team? Kann das System Gruppendruck oder Effekte aus den gemeinsamen Anstrengungen erkennen? Wird mobiler Support für die Manager angeboten, die sich zwischen verschiedenen Standorten bewegen?

Die Implementierung von Prozessen, die eine solch reibungslose Zusammenarbeit unterstützen, wird geschäftsentscheidend sein. Dabei müssen sie die Produktivität erleichtern, egal wie weit die Mitarbeiter voneinander entfernt sind. Die optimale Umgebung wird auch das Team-Management stärken, bessere Performance-Reviews ermöglichen und persönliche Interaktionen vereinfachen. Dieses global vernetzte Modell erlaubt ein besseres Teilen von Informationen, Training und schnellere Antworten auf Anfragen. Idealerweise sitzen die verantwortlichen Mitarbeiter in der Nähe des Teams, um auf Probleme zu reagieren oder das Tagesgeschäfts effektiv auszuführen.

Innovationen für Wachstum und Agilität

Industrialisierte Geschäftsprozesse sind das Modell der Zukunft, aber auch bereits heute umsetzbar. Die verantwortlichen Mitarbeiter im Team müssen die Anforderungen des sich verändernden Marktes und der sich weiterentwickelnden Belegschaft erkennen und die Abläufe entsprechend flexibel anpassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Statt sich gegen eine global verteilte Mitarbeiterschaft zu wehren, können Kosten eingespart und die Produktivität sowie die Reaktionsbereitschaft erhöht werden.

Ein agiles GBS-Modell, welches durch moderne Technologien und wissenschaftliche, standardisierte Prozesse unterstützt wird, kann einen entscheidenden, nachhaltigen Wettbewerbsvorteil darstellen. In einer zeitgemäßen Strategieplanung der Unternehmen sollten industrialisierte Prozesse eine zentrale Rolle spielen – die Zeit dafür ist gekommen.

 

Gianni Giacomelli ist Senior Vice President & Product Innovation Leader bei Genpact. Giacomelli ist verantwortlich für den Aufbau und die Durchführung eines Global Product Development Systems sowie einer Produkt-Roadmap, die eine ganzheitliche Betrachtung von Genpacts Prozessleistungsfähigkeit, IT-Lösungen und analytischen Instrumenten ermöglicht.

Dieser Artikel wurde erstmals in the Special Edition des Outsourcing Journals “Business Process – managed & outsourced Edition” veröffentlich. Die gesamte Ausgabe ist über die Website des Outsourcing Verbandes kostenlos downloadbar: https://www.outsourcing-verband.org/outsourcing-journal-special-editions/ 

 

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